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Berlin: (hib/CRS) – Der 1. Untersuchungsausschuss des Bundestages zum Abzug aus Afghanistan hat in seiner 20. Sitzung einen ehemaligen Mitarbeiter der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GiZ) angehört. Dieser berichtete, er habe mehrere Jahre mit internationalen Organisationen zusammengearbeitet, weil er an die Demokratie glaube. Er sei nicht nur bei deutschen, sondern auch bei anderen internationalen Organisationen tätig gewesen. Nach 2005 habe er freiberuflich für verschiedene deutsche Institutionen, darunter die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), Analysen erstellt und Umfragen durchgeführt. Außerdem habe er mehreren deutschen Medienvertretern Gesprächspartner besorgt.

Er sei wegen seiner Arbeit bekannt gewesen. Die Taliban hätten ihn wiederholt angerufen, bedroht und Geld verlangt, weil er für Ausländer arbeite. Diese Forderungen habe er immer abgelehnt, davon aber auch nicht der GiZ nicht berichtet, weil er sie nicht ernst genommen habe. Niemals habe er sich vorstellen können, dass die Taliban das Land wieder unter ihre Kontrolle bringen könnten.

Nachdem die Einzelheiten zum Doha-Abkommen bekannt wurden, in dem die USA und Taliban den Rückzug internationaler Truppen vereinbart hatten, sei es allen klar gewesen, dass dies Abkommen für die Republik Afghanistan nichts Gutes bedeuten werde. Niemand habe jedoch geglaubt, dass Kabul über Nacht fallen würde. Er sei davon ausgegangen, dass es einen sanften Übergang geben werde. Er habe mit einer Geldstrafe gerechnet und das Land nicht verlassen wollen.

Als die Taliban am 15. August 2021 ohne Übergang in die Hauptstadt eingedrungen seien, habe er sich an verschiedene Organisationen, unter anderem auch an die deutsche Botschaft und die GiZ gewandt und um Aufnahme gebeten. Von der GiZ habe er nichts gehört, aber deutsche Freunde und deutsche Journalisten hätten ihm geholfen.

In der ersten Woche nach dem Fall Kabuls seien jedoch alle Versuche, ihn aus dem Land zu bringen, gescheitert. Danach habe er sich bei Freunden versteckt. Er habe gehört, dass die Taliban mehrmals seine Wohnung durchsucht und nach ihm gefragt hätten.

Am 2. September 2021 sei er in sein Büro gefahren, um einige Sachen abzuholen. Auf dem Rückweg nach Hause habe ein Auto seinen Weg abgeschnitten. Als er ausgestiegen sei, hätten die Insassen sofort auf ihn geschossen und schwer verletzt. Danach hätten sie ihn auf der Straße liegen lassen, weil sie dachten, er sei tot. Von Passanten angefragte Rettungswagen hätten sich geweigert zu kommen. Schließlich habe ihn seine Familie zum Krankenhaus gebracht, wo er operiert wurde.

Nach dem Attentat seien seine Wohnung und sein Büro durchsucht worden. Außerdem hätten die Taliban, mit der Begründung, er habe für die GiZ gearbeitet, sein Bankkonto gepfändet. Er gehe daher davon aus, dass es die Taliban gewesen seien, die ihn niederschossen.

Während er im Krankenhaus lag, sei seine Familie unter sehr schwierigen Bedingungen nach Pakistan gebracht worden, berichtete der Zeuge weiter. Als ein deutscher Journalist erfahren habe, dass Pakistan ab dem nächsten Tag niemanden mehr ohne Visum ins Land lassen würde, habe er gegen die Empfehlung seines Arztes im Rollstuhl das Krankenhaus verlassen und sei zusammen mit seinem Bruder im eigenen Auto nach Pakistan gefahren. Dort habe man ihn hinter der Grenze abgeholt. Die deutsche Botschaft in Islamabad habe sich ihm gegenüber sehr freundlich verhalten. Zwei Wochen später reiste er zusammen mit seiner Familie nach Deutschland aus. Erst dort habe er erfahren, dass die Helfer, die ihn die ganze Zeit über betreut hatten, der Organisation Kabul Luftbrücke angehörten.

Sein Eindruck sei, betonte der Zeuge, dass die Taliban über die Personen, die mit internationalen Organisationen zusammengearbeitet hätten, bestens informiert seien. Einige seiner ehemaligen Kollegen seien bereits festgenommen und krankenhausreif geprügelt worden.

Im weiteren Verlauf der Sitzung hörte der Ausschuss eine weitere Zeugin an, die für das Goethe-Institut in Kabul tätig war und als Lehrkraft für die deutsche Sprache auch in zwei Schulen Deutsch unterrichtet hat. Außerdem habe sie nach der offiziellen Schließung des Goethe-Instituts für die Konrad-Adenauer-Stiftung gearbeitet und sich dort auch für Frauenrechte engagiert, erzählte sie.

Als die Taliban Kabul einnahmen, sei sie gleich zum Flughafen gefahren und habe auch auf das Flughafengelände gelangen können. Sie habe die deutschen Soldaten von ihrer Tätigkeit für deutsche Institutionen überzeugen können und sei zunächst nach Taschkent und später nach Frankfurt evakuiert worden. Dass sie zu diesem Zeitpunkt ein US-Visa besaß und gute Deutschkenntnisse hatte, hätte ihr wahrscheinlich geholfen.

Später seien alle ihre Kolleginnen und Kollegen mit Hilfe des Goethe-Instituts evakuiert worden. Der Leiter des Instituts habe sich persönlich für die afghanischen Ortskräfte eingesetzt. Die Organisation habe frühzeitig angefangen, Listen der Ortskräfte aufzustellen und während der Evakuierung makellos gearbeitet, sagte die Zeugin.

Als letzten Zeugen hörte der Untersuchungsausschuss in nichtöffentlicher Sitzung einen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) an, der in Afghanistan für Informationsbeschaffung verantwortlich gewesen ist. Die Abgeordneten wollten sich ein Bild darüber machen, wie die Arbeit des Geheimdienstes in Afghanistan ablief und ob sich deren Arbeitsbedingungen nach dem Doha-Abkommen geändert hätten.

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