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Berlin: (hib/CRS) – Ein Referatsleiter beim Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) hat gestern vor dem 1. Untersuchungsausschuss Afghanistan zur Evakuierung der Ortskräfte ausgesagt. Ihm zufolge sei es schwer machbar gewesen, sie schneller nach Deutschland zu bringen, weil es sich um einen bis dahin beispiellosen Fall gehandelt habe. Der Zeuge, der beim BMI das Referat Visum- und Einreisepolitik leitet, erklärte auch, warum sein Referat Bedenken gegen die Überlegung des Auswärtigen Amtes geäußert habe, die sogenannte Visa-on-Arrival-Prozedur anzuwenden. Eine Evakuierung fremder Staatsbürger sei gesetzlich nicht vorgesehen, betonte er. Als der Vorschlag kam, habe das BMI befürchtet, dies könne zu einer Kettenreaktion und einem unkontrollierten Zuzug aus Afghanistan führen. „Es gibt 40 Millionen Menschen in Afghanistan“, fügte er hinzu.

Außerdem müsse vor einer Einreise, vor allem aus Ländern, wie Afghanistan, jeder Antragsteller einer Sicherheitsprüfung unterzogen werden. Das sei bei einer großen Masse schwer machbar. Eine unbekannte Zahl von Menschen hätte in einem solchen Fall vor den deutschen Grenzen stehen können, darauf seien die deutschen Flughäfen nicht vorbereitet. Sie mit ihren Familien und Kindern acht Stunden lang vor der Grenze warten lassen, sei ebenfalls nicht praktikabel gewesen.

Viele hätten die Grenze ohne Sicherheitsprüfung passiert, berichtete der BMI-Vertreter. Wäre nachträglich festgestellt worden, dass jemand eine Gefährdung darstelle, hätte man die Person nicht nach Afghanistan zurückschicken können.

Das BMI habe versucht, die Interessen der Betroffenen und die sicherheits- und migrationspolitischen Interessen Deutschlands miteinander zu vereinbaren. Rückblickend, sagte er, würde es jetzt einiges anders machen.

Das Ortskräfteverfahren sei sehr verwaltungsbezogen. Man müsse das Problem aber im zeitlichen Kontext betrachten. Als über diese Frage diskutiert wurde, habe die Lagebewertung ergeben, dass noch ausreichend Zeit sei.

Der Zeuge wies auch darauf hin, es hätten „erstaunlicherweise“ bis zum Anfang der Evakuierungsmission nicht viele Gefährdungsanzeigen vorgelegen. Diese würden den ersten Schritt im Ortskräfteverfahren darstellen.

Statt Visa-on-Arrival habe das BMI vorgeschlagen, das International Organisation of Migration (IOM) als externen Dienstleister unter Vertrag zu nehmen. Da die deutschen Auslandsvertretungen in Afghanistan aus Sicherheits- und Personalgründen keine Visastellen betrieben hätten, hätte die Organisation aus Sicht des BMI die Visabearbeitung übernehmen können. Dass es nicht rechtzeitig dazu kam, sei der rasanten Entwicklung vor Ort geschuldet. „Für diese Lösung sind Verhandlungen und Verträge notwendig“, erklärte der Zeuge.

Zur zeitlichen Begrenzung der Aufnahmeberechtigungen sagte der BMI-Vertreter, im Rahmen des Ortskräfteverfahrens seien am Anfang nur Mitarbeiter deutscher Institutionen zur Aufnahme berechtigt gewesen, die in den letzten zwei Jahren unter Vertrag gestanden hätten. „Das sind hochgerechnet 6.000 Menschen. Wenn diese Grenze fällt, sind es 20.000. Das ist eher eine migrationspolitische Frage. Deshalb wurde diese Frage am Ende in der Staatssekretärsrunde entschieden.“

Als letzten Zeugen rief der Untersuchungsausschuss am Abend den Sachgebietswalter Interne Revision des Bundesnachrichtendienstes (BND) auf. Er hat einem internen Bericht zu den Prognosen des BND im Untersuchungszeitraum verfasst.

Gleich in den chaotischen Tagen nach dem Fall Kabuls sei er vom Präsidenten des BND beauftragt worden zu ermitteln, ob es Mängel bei Lageanalysen und Prognosen des Dienstes gegeben habe, erklärte der Zeuge. „Der Auftrag war prioritär“ betonte er, „das Interesse war nicht nur innerhalb des Hauses groß.“ Da die „Darstellung der Dinge“ in den Medien nicht korrekt gewesen sei, sei es wichtig gewesen, sie wahrheitsgemäß darzustellen. „Wir haben das Konzept hinterfragt, und ob wir nicht etwas übersehen haben“ sagte der BND-Mitarbeiter. Während seiner Arbeit habe das Bundeskanzleramt „gelegentlich nach dem Stand gefragt.

Als ein Ausschussmitglied auf eine frühere Aussage eines Referatsleiters beim Bundeskanzleramt hinweis, wonach dieser in einem Telefongespräch sowohl zum Auftrag als auch zum Ergebnis Vorschläge gemacht habe, sagte der Zeuge, er habe dies nicht als Einmischung in seine Arbeit empfunden. Die Überlegung, was das Ergebnis sein könnte, sei nur eine “Arbeitshypothese„ gewesen und als solche auch in den Diskussionsprozess eingebracht worden.

Dem Zeugen zufolge sei am Ende der internen Revision festgestellt worden, dass der BND in der Sache richtig berichtet und die Entwicklungen in Afghanistan richtig vorausgesehen habe. Lediglich die Prognose zur zeitlichen Entwicklung sei falsch gewesen.

Die Vermutung einer Abgeordneten, dass der BND die Analyse des deutschen Botschafters nicht berücksichtigt habe und ihn dies “auf die falsche Fährte geführt haben könnte„, verneinte der Beamte. “Der Internen Revision lagen Dokumente vor, aus denen die Sichtweise des deutschen Botschafters hervorging, und wir haben festgestellt, dass die Sichtweise nicht uneingeschränkt übereingestimmt hat„, sagte er. Er betonte zugleich, die Lageanalysen der Diplomaten würden bei den eigenen Analysen immer berücksichtigt.

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