Berlin: (hib/FMK) – Der ehemalige Vorstandsvorsitzende des insolventen Wirecard-Konzerns, Markus Braun, hat sich geweigert, die Fragen der Abgeordneten des Deutschen Bundestages zu beantworten. Die 6. Sitzung des 3. Untersuchungsausschusses („Wirecard-Ausschuss“) am 19. November 2020 unter dem Vorsitz des Abgeordneten Kay Gottschalk von der AfD verlief damit für die Parlamentarier zunächst unbefriedigend.

Braun berief sich gleich zu Beginn der Ausschuss-Sitzung in einer vorbereiteten Erklärung auf sein Recht, die Aussage da zu verweigern, wo er sich selbst belastet. Da alle Fakten rund um Wirecard ein „mosaikartiges Gesamtbild“ ergeben, sei jede Angabe strafrechtlich relevant. Stattdessen sollten die Gerichte „den Verbleib der veruntreuten Unternehmensgelder“ klären, sagte Braun.

Braun kündigte stattdessen eine umfangreiche Aussage gegenüber der Staatsanwaltschaft München an. Diese wirft Braun unter anderem Bilanzbetrug vor. Die Ermittlungsbehörden und die zuständigen Berichte hätten Vorrang, erklärte Braun seine Rechtsauffassung. Er werde dem Ausschuss daher keine Fragen beantworten. „Ich werde mich nicht über diese Erklärung hinaus äußern“, sagte Braun – und hielt das auch während seiner Befragung durch.

Mit dieser Formulierung stellte Brauch sich eher wie ein unbeteiligter Beobachter dar, während die Staatsanwälte in ihm die treibende Kraft hinter dem groß angelegten Betrug sehen. Bei Wirecard ist der Verbleib mehrerer Milliarden Euro ungeklärt. Zudem gibt es Verwicklungen mit Geheimdiensten, die die Ausschussmitglieder aufklären wollen.

Den Abgeordneten war steigender Ärger über das Verhalten Brauns anzumerken. Sie stellten probeweise auch Fragen, die mit den konkreten Anschuldigungen nichts zu tun haben – beispielsweise nach seiner Einstellung zur guten Unternehmensführung oder dem grundsätzlichen Funktionieren einer Firma wie Wirecard. Auch dazu sagte Braun jedoch nichts. Der Abgeordnete Fabio De Masi (Die Linke) fragte ihn schließlich, ob er eine Tochter habe. Auch darauf verweigerte Braun die Antwort. Er war lediglich bereit, auf Nachfrage sein Geburtsdatum zu nennen.

Die Abgeordneten machten wiederholt klar, dass sie das Aussageverweigerungsrecht bei weitem nicht so allgemein auslegen wie Braun. „So können Sie nicht mit dem Bundestag umgehen“, sagte der Abgeordnete Matthias Hauer (CDU). Das Gebaren passe aber zu dem intransparenten Umgang von Wirecard mit der Öffentlichkeit. Schon vor der Insolvenz habe das Unternehmen kritische Anfragen abgeblockt und vorwiegend über Anwälte kommuniziert.

Der Ausschussvorsitzende Gottschalk stellte ebenfalls eine ganze Reihe von Fragen zur Sache, die Braun allesamt nicht beantwortete. Gottschalk konzentrierte sich vor allem auf die Rolle des Kanzleramts: Es war Wirecard noch 2018 gelungen, Kontakt zu Bundeskanzlerin Angela Merkel aufzunehmen. Auch zu Inhalt und Details dieses Austauschs verweigerte Braun jede Aussage. Er kenne die „Mosaiktheorie“, sagte Gottschalk, doch dazu gebe es auch „andere Meinungen“. Auch er forderte Braun auf, sich zumindest zu Fragen zu äußern, die nicht direkt strafrechtlich relevant seien.

Der Abgeordnete Florian Toncar (FDP) ermahnte Braun, dass seine Komplettverweigerung nicht der vorherrschenden Rechtsauffassung entspreche. „Die staatsanwaltschaftliche Ermittlung steht auf gleicher Stufe wie dieser Ausschuss“, sagte Toncar. Die Abgeordnete Cansel Kiziltepe (SPD) zeigte sich ebenfalls indigniert. Sie fragte Braun, ob ihm klar sei, welche Schäden er am Wirtschaftssystem und am Standort Deutschland verursacht habe.

Der Abgeordnete De Masi fasste die Fragen im weiteren Verlauf immer allgemeiner. Er wies zudem in Form einer Frage auf den Verdacht hin, dass Wirecard auch Zahlungsabwicklung für Kinderpornografie geleistet habe. Danyal Bayaz von der Grünen ermahnte Braun, dass sein Verhalten vor dem Ausschuss auch seine Wahrnehmung in den Geschichtsbüchern beeinflusse – schließlich handele es sich bei Wirecard um einen der größten deutschen Wirtschaftsskandale. Braun blieb trotz alldem bei seiner Linie.

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